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Mit Würde zur letzten Ruhestätte überführt

Vier polnische Kriegstote umgebettet


Dülmen-Buldern. Die Verlegung der Gräber war schon lange geplant, verzögerte sich aber durch die Corona-Jahre. Nun haben vier polnische Soldaten auf dem Friedhof der katholischen Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Dülmen-Buldern eine endgültige Grabstelle bekommen.

Auf einer freien Fläche, kaum bemerkt von Friedhofsbesuchern, lagen in Einzelgräbern: Stanislaw Kazmierczak (30 Jahre), Stefan Nowara (36 Jahre), Ludwik Owczarek (34 Jahre) und Antoni Stachowiak (29 Jahre). Dort drohten ihre Gräber in Vergessenheit zu geraten. Deshalb suchten und fanden die Kirchengemeinde und der Volksbund eine neue Ruhestätte auf demselben Friedhof. 

Mehrere Institutionen hatten zuvor der Verlegung zugestimmt: das Generalkonsulat der Republik Polen, die Bezirksregierung Münster, der Kreis Coesfeld, die Stadt Dülmen, die Kirchengemeinde sowie der Beauftragte des Volksbundes.        

Zur Einsegnung entsandten alle ihre Repräsentantinnen und Repräsentanten: In Vertretung des Bürgermeisters begrüßte Stadtbaurat Markus Mönter insbesondere die polnischen Gäste, Aleksandra Wojda und Vizekonsul Jan Krzymowski, den Regierungspräsidenten Andreas Bothe, den Landrat Christian Schulze Pellengahr sowie die kirchlichen Vertreter, Pfarrer Damian Lewinski von der Polnischen Katholischen Mission Dortmund und Pastoralreferentin Hanna Liffers von der Katholischen Kirchengemeinde Heilig Kreuz. Eine derartige Aufmerksamkeit für eine Verlegung von Kriegsgräbern hat es in Nordrhein-Westfalen bislang wohl noch nicht gegeben. 

In den Grußworten von Stadtbaurat Mönter, Frau Wojda und Regierungspräsident Bothe wird die Wichtigkeit einer solchen Veranstaltung, 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, 

hervorgehoben. Es dürfe nicht vergessen werden, was seinerzeit im deutschen Namen geschehen ist. Die stete Erinnerung an eine unsägliche Vergangenheit, gerade in Zeiten von Kriegen weltweit, solle Mahnung sein und zugleich Ansporn geben, sich mehr für ein friedvolleres Miteinander einzusetzen.

Text: Wolfgang Held; Fotos: Wolfgang Held und Nina Kliemke
 

Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.

Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.

Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.

Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.